Abstract:
In der vorliegenden Masterarbeit wird der Versuch unternommen, auf die
komplexen Paradigmen Metafiktionalität und Metatextualität, sowie auf deren
Kategorien in Christoph Heins Roman Trutz (2017) einzugehen.
Ziel der Arbeit war zudem, ihre Formen und Funktionen textexemplarisch und
analytisch auszuloten.
Nach der Analyse des Romans hat sich herausgestellt, dass Christoph Heins
Roman verschiedene Kategorien der Metafiktionalität und Metatextualität
konstellationsartig aufweist. Trotz der bei den Subkategorien von Metafiktionalität und
Metatextualität vorliegenden Differenzen, erweisen sich beide Größen in einer
Wechselbeziehung als wesentliche Komponenten postmoderner Autoreferenzialität
und Selbstreflexivität.
Aus narratologischer Sicht her betrachtet, beruht Trutz auf einer ambivalenten
und sogar metanarrativ konstruierten Ich-Er-Erzählperspektive, wobei der Autor somit
eine Narration ersten und zweiten Grades erzielt und den Erzählakt in seiner
immanenten Reflexion als „Erzählen im Erzählen“ erscheinen lässt. Infolgedessen
wird die Vertikalität der Autorstimme als intersubjektives stilisiertes Spiel
wahrgenommen. Dabei ist festzustellen, dass jene doppelte Narrativität sowohl eine
metapoetische als auch eine (biografische) Reflexion bzw. Reflexivität der Erzählung
selbst impliziert.
Der Roman Trutz kreist, kulturgeschichtlich gesehen, um die Archive dreier
Länder und zwar Deutschland, Österreich und Russland, wobei diese ihren
ursprünglichen Handlungsort in Moskau haben. Heins Roman durchgeht ein para bzw.
(auto)intertextuell konstituiertes und genreoffenes Archivmotiv, das vom
Hauptprotagonisten (als Archivar) verkörpert wird, nämlich im Zeichen einer
intergenerationalen Gedächtins-konstruktion. Darüber hinaus erzielt der Autor und
Chronist Hein eine dynamische, den institutionell etablierten Geschichtsdiskurs
revidierende, aber auch eine kritisch zu reflektierende Geschichtsschreibung und
Wahrheitssuche.
In diesem Sinn sind die Rekonstruktionsmomente der textuellen Historizität
erkennbar, wo das historische und fiktionale Schreiben selbst einander überschneiden
bzw. ineinander verschmelzen, so dass jene Ambivalenz das poetische Programm und
das Chronist-Sein des Autors metafiktional affirmiert
Weiterhin beruht der Roman auf einer Multitextualität, die auf Grund der
Interkontextualität des Textes kombinatorisch hervorgebracht wird, indem jene
Interkontextualität das Subjekt des Autors durch ein Stimmenspiel mit in die Diegese
einbezogen. Es handelt sich um subversive Appellfunktionen an den Leser sowie um
poetologisch motivierte Verschiebungsorte, die ihn (den Leser) auf die Entstehungs
bzw. Konstitutionsgeshichte des Textes zurückführen. Diese Duplizität des
literarischen Diskurse besteht darin, dass beim Schreibprozess des Romans ein ‚Spiel
im Spiel‘ zustande kommt, wo der Text seine eigene Entstehungsgeschichte
(Historizität) projiziert, sodass dessen Tiefenstrukturen an gewissen Schlüsselstellen
erkennbar werden.
Die Metanarration ist im Trutz-Text eine weitere Komponente und Strategie
metafiktionalen Schreibens. Ein weiteres Element davon ist die Mnemotechnik, die als
Leitmotiv den gesamten Roman und dessen Handlungsstrukturen durchläuft. Jener
Erinnerungs-Bzw. Gedächtnisdiskurs wird auf metanarrativer Basis durch die Stimme
des Protagonisten und figürlichen Erzähler Maykl Trutz artikuliert. Mnemonik fungiert
demzufolge als Erinnerungsdiskurs, der die im Roman dominante Historie als
Kollektivgeschichte durch das Schicksal der Familien Trutz und Gejm schildert.
Der Rekurs auf eine im Roman dramatisch inszenierte Dialogizität zielt u.a. auf
eine dynamisch animierte Textrezeption durch eine ambivalente und intersubjektive
Ich-Du-Form. Der Bezug auf andere Medien und Kunstformen in metafiktional
metatextuell geprägten Roman Trutz ermöglicht eine hypermediale,
multiperspektivische alltagsästhetische, sowie subjektivierte Geschichtsauffassung.
Die Letzte relativiert wiederum die Dominanz der tradierten und etablierten
Geschichtsschreibung oder lässt die letztere zumindest perspektivisch als
intersubjektive Diskurskonstruktion schillern.
Es ist an dieser Stelle zu behaupten, dass Heins Metakritik durch die kritische
Haltung Trutz prangert die totalitären Regimes des Nationalsozialismus und des
Kommunismus zugleich an. Mit anderen Worten: Die Stimmenambivalenz zwischen
Autor und (figürlichem) Erzähler erfolgt durch eine Textproduktion der Metakritik an
den das schreibende Subjekt konditionierenden Zensurmechanismen.
Ein weiteres Schlüsselmotiv des Romans liegt in der Musik als Sinnbild für den
Rhythmus der Geschichte und ihre möglichen Dissonanzen, die wiederum auf eine
Gedächtnis-Ästhetik zurückzuführen sind. Aufgrund dessen versinnbildlicht sie indes
eine ästhetisierte, stark symbolische und existenzielle Parallele zwischen Tod und
Vergessen. Nichtsdestotrotz lässt sich feststellen, dass jene metadiskursiven Momente
des Schreibens eine Körperlichkeit des Autor-Seins und eine krisenhafte
Erinnerungsästhetik, vor allem durch die im Roman elegisch erwähnte Strauß-
Operette, implizieren.
Am Ende des Romans ist die Transfiktionalität des wiederum erwähnten Strauß-
Operettenstücks, deren gemeinsames Motiv darin besteht, die Fatalität des
(historischen) Vergessens auf Metaebene zu versetzen, bemerkenswert.
Auch wenn die vorliegende Arbeit zu gewissen relevanten und aussagekräftigen
Forschungsergebnissen gekommen ist, sind weitere Untersuchungen und potentielle
„Verfeinerungen“ der Konzepte Metatextualität und Metafiktionalität künftig zu
unternehmen, vor allem am Beispiel von den anderen Texten Christoph Heins.